Ein Überangebot wie im Supermarkt – oder: Wie viel journalistische Vielfalt ist zu viel?
29.09, 11:45–13:00 (Europe/Berlin), Vortragssaal II
Sprache: Deutsch

Wer heute in einen durchschnittlich großen Supermarkt geht, hat eine riesige Auswahl an Produkten. Und ein Problem: Welches der zehn angebotenen Brote möchte man kaufen? Welcher Käse soll es sein? Oder nimmt man doch gleich drei mit, weil man sich nicht entscheiden kann?

Mit den Informationsangeboten im Netz verhält es sich ähnlich: Internetnutzer*innen haben heutzutage eine riesige Auswahl an Informations- und Nachrichtenquellen, die sie als Ressourcen für die Meinungsbildung zu politischen und gesellschaftlichen Themen nutzen können. Und wie auch beim Lebensmitteleinkauf im Supermarkt stellt sich dabei manchmal dasselbe Gefühl ein: Überforderung angesichts der Flut an Möglichkeiten.

Bei der Ernährung wissen wir: Möglichst ausgewogen und vielfältig sollte es sein. Doch was bedeutet ausgewogen und vielfältig für den Nachrichtenkonsum? Möglichst viele verschiedene Nachrichtenquellen? Möglichst ganz unterschiedlich? Wie extrem dürfen die dann sein? Grundsätzlich ist sich die Wissenschaft in diesem Thema einig: Eine gewisse Vielfalt von im Konsum verschiedener Informationsquellen ist gut für die demokratische Teilhabe der einzelnen Bürger:innen. Aber sind vielleicht zu viele verschiedene Perspektiven eher kontraproduktiv für die Meinungsbildung, weil es dadurch zu Überforderung, Kontakt mit falschen oder nicht hochwertigen Informationen einer Wissensillusion kommt? Wie viel journalistische Vielfalt ist zu viel?

In einer aktuellen Untersuchung des Leibniz-Instituts für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut Hamburg, des GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften und der LMU München gehen wir genau diesen Fragen mithilfe der Kombination von Umfrage- und WebTrackingdaten nach. : Wir analysieren mehr als 5 Millionen Web-Tracking Daten von etwa 1700 Internetnutzer*innen in Deutschland, um herauszufinden, welche Art von Nachrichten- und Informationsquellen sie oft benutzen. Und vor allem: Wie diese Nachrichtendiät mit ihrer Wahrnehmung von demokratischer Selbstwirksamkeit zusammenhängt, also dem Gefühl politische Prozesse selbst beeinflussen zu können.

Die Ergebnisse unserer Forschung möchten wir im Rahmen einer kurzen Präsentation mit euch teilen – und im Anschluss mit euch ins Gespräch kommen. Wie viel Vielfalt braucht es (nicht), damit Demokratie gelingen kann? Welche Rollen spielen klassische Medien (noch)? Wie können wir als Medienschaffende mit der Fülle an Informations- und Nachrichtenangeboten umgehen? Was können wir als Wissenschaftlerinnen und Journalistinnen aus diesen Daten lernen? Wie können wir sie datenjournalistisch nutzen?

Wir freuen uns auf die Diskussionen und den Austausch mit euch.

[Moderation: Gianna-Carina Grün]

Gianna-Carina Grün ist Datenjournalistin und leitet das 2017 von ihr gegründete Daten-Team der DW. Sie ist außerdem Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Digitalen Journalismus und Datenjournalismus der TU Dortmund.

In ihrem Arbeitsalltag produziert und redigiert sie Visualisierungen und datengesteuerte Geschichten und verbreitet als ddj-Trainerin Enthusiasmus für Daten und Code im Journalismus. Mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung und Stationen im Lokal-, Wissenschafts- und Online-Journalismus begeistert sie sich vor allem für die multimedialen Möglichkeiten des Storytellings im Web. Gianna Grün hat einen Bachelor in Biowissenschaften und einen Master in Molekularer Biomedizin der Universität Münster. Außerdem hat sie das Lede-Program an der Columbia Journalism School in New York City absolviert.

Diese(r) Vortragende hält außerdem:

Isabel Lerch ist Datenjournalistin bei NDRdata - dem datenjournalistischen Team des Norddeutschen Rundfunks. Als freiberufliche Trainerin vermittelt sie zudem die Grundlagen des Datenjournalismus. Ihr journalistisches Handwerk hat sie während des Volontariats beim Norddeutschen Rundfunk gelernt. Davor hat sie Politikwissenschaften, Osteuropastudien und Journalismus in Berlin, Stockholm und Sankt Petersburg studiert. Inzwischen lebt sie in Hamburg - und besucht aktuell wieder die Uni: An der Leuphana Universität in Lüneburg studiert sie nebenberuflich Data Science. In ihrer Masterarbeit beschäftigt sie sich mit dem Thema der individuellen Nachrichtendiäten und der Polarisierung politischer Meinungen.